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Auf dem Weg in die Ich-Gesellschaft?

Vergangenes Jahr bei den letzten vorbereitenden Arbeiten des Teams, das sich als ehrenamtliche Helfer und Helferinnen zusammengefunden hat, den "Naschgarten" als ein Highlight des Remstalgartenschau zu gestalten: Alle arbeiten voller Elan und Begeisterung, es herrscht eine lockere Atmosphäre, man ist auch ein wenig stolz auf das schon Geleistete.

 

Nach einer Zeit bleiben drei zufällig vorbeikommende ältere Frauen stehen, schauen sich das Treiben an, fragen ein wenig nach, sind erstaunt und dann sagt eine der Damen beim Weitergehen: "Naja, Gutmenschen halt, die merken es schon auch noch..."

Für das Team ist das wie ein Faustschlag, es dauert eine Weile, bis sich wieder die alte gute Stimmung einstellt... Doch was ist da eigentlich durch den Kommentar der Frau zum Ausdruck gekommen? Sie wollte wohl deutlich machen, dass man offensichtlich bescheuert ist, sich für die Gemeinschaft zu engagieren, also ein "Gutmensch" zu sein. Tatsächlich stelle ich fest, dass es in der Gesellschaft Tendenzen gibt, solch ein Engagement als naiv abzustempeln: Warum sich ehrenamtlich für die Gemeinschaft abrackern? Am besten ist man doch dran, wenn man nach sich selbst schaut.

Diese Einstellung hat jedoch fatale Folgen: Immer mehr Ehrenamtliche, die bisher begeistert waren, sich an gemeinschaftlichen Aufgaben zu beteiligen, geben frustriert auf, weil die Aufgabenbereiche immer größer werden, die sie schultern sollen. So setzt sich eine Abwärtsspirale in Gang, an deren Ende viele Vereine aufgeben.

Eine Entwicklung hin zu mehr Egoismus lässt sich jedoch auch an anderer Stelle beobachten: Man wird heutzutage sehr schnell und aggressiv angegangen, wenn es beispielsweise zu unklaren Situationen im Straßenverkehr kommt, Schimpfwörter oder Androhungen von körperlicher Gewalt bei Auseinandersetzungen sind heutzutage in vielen Situationen sehr schnell bei der Hand: Das Recht, das einem vermeintlich zusteht, wird vehement eingefordert, ohne darüber nachzudenken, dass man selbst vielleicht auch nicht ganz unschuldig ist an der Situation. Und andererseits geht die gute Sitte, kurz die Hand zu heben, wenn einem ein anderer Verkehrsteilnehmer einen Gefallen tut, zunehmend verloren. Sind wir also auf dem Weg in eine Ich-Gesellschaft, in der nur noch zählt, dass man selbst nicht zu kurz kommt? In der ein vermeintlicher Fehler eines anderen gleich als persönlichen Angriff auf die eigene Freiheit gesehen wird? In der Gesten des Dankes für ein Entgegenkommen offensichtlich als überflüssig, ja als Zeichen der Schwäche betrachtet werden? Ich hoffe nicht.

Noch gibt es genügend "Gutmenschen", die sich in der Gemeinschaft mit anderen für die Gemeinschaft aller engagieren. Noch gibt es genügend Leute, die sich in Vereinen ehrenamtlich abrackern. Noch gibt es genügend Leute, die mehrmals im Monat im Gemeinderat und seinen Ausschüssen zusammenkommen, um zusammen mit der Verwaltung die Stadt Remseck in eine gute Zukunft zu führen. Ich hoffe sehr, dass diese Menschen nicht den Spaß an den vielfältigen Aufgaben, die sie als "Gutmenschen" mit viel Arbeitsaufwand leisten, verlieren. Dass man ihnen ihr Engagement nicht vorwirft, sondern im Gegenteil, solchen Leuten Anerkennung zollt, auch wenn Manches vielleicht nicht perfekt läuft.

In Remseck gibt es noch ein sehr aktives Vereinsleben: Im Sport, der Musik, der Politik, der Feuerwehr, den Kirchen oder der Natur - und dabei sind bei weitem noch nicht alles Bereiche genannt - beteiligen sich unzählige ehrenamtliche Helferinnen und Helfer an den anfallenden Aufgaben, machen Nachwuchsarbeit und opfern zahlreiche Wochenenden. In anderen Kommunen ist die Erosion dieses Vereinslebens schon sehr viel deutlicher zu spüren.

Lassen Sie uns alle gemeinsam dazu beitragen, dass es in Remseck eben nicht zu einer "Ich-Gesellschaft" kommt, sondern unsere Stadt von einer Gesellschaft geprägt ist, in der Engagement für die Gemeinschaft etwas zählt und wertgeschätzt wird, in der es schön und erfüllend ist, in einer Gemeinschaft etwas für die Gemeinschaft zu leisten. Und in der vermeintliche Fehler von anderen nicht mit Aggression begegnet wird und ein kleines Dankeschön für entgegenkommende Gesten wieder selbstverständlicher wird.

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